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Resilienz: Aus Krisenzeit wird Seelenzeit

Was es heißt, resilient zu sein.

Krisen bringen uns wirtschaftlich, physisch und emotional an unsere Grenzen und manchmal sogar darüber hinaus. Vor allem wenn wir nicht auf das Ausmaß an plötzlicher und grundlegender Veränderung und Ungewissheit vorbereitet sind – wie es wohl ganz Vielen von uns in der aktuellen Covid-19-Krise geht. Wenn wir in diesen Tagen so schmerzlich unsere Verletzlichkeit und die Brüchigkeit unseres Menschseins erfahren, kann das Stress auslösen. Wir brauchen Antworten darauf, wie wir diesen Stress konstruktiv bewältigen und wie wir mit außergewöhnlichen Belastungssituationen umgehen können.

Körper, Seele und Geist - ganz Mensch sein

Wichtig ist vor allem, dass der Kern unseres Menschseins bewahrt und geachtet bleibt – ganzheitlich an Körper, Geist und Seele. Dass wir – so gut es nur geht – unbeschadet aus dieser Phase in wieder ruhigeren und berechenbaren Zeiten ankommen dürfen. Unsere Seele verdient momentan ganz besondere Aufmerksamkeit, weil sie den tiefsten Kern unserer Identität ausmacht – obwohl sie mitunter so unscheinbar im Verborgenen liegt und mit unseren äußeren Sinnen nicht wahrgenommen werden kann. Unsere Seele braucht unsere Zuwendung, weil wir sie in der Hektik und Oberflächlichkeit unseres von Selbstverständlichkeit und Luxus geprägten Alltags vielleicht allzu oft vernachlässigt haben. Weil wir letztlich nicht mit ihr verbunden sind und das erst in Krisenzeiten schmerzlich feststellen, wenn nach und nach unsere ganze Existenz ins Wanken gerät. Weil sich die Wunden einer vernachlässigten Seele eben auch auf unseren Körper und Geist negativ auswirken. Umgekehrt wird eine Hinwendung zu unserer Seele auch unseren Körper und Geist in dieser angespannten Zeit stärken. In diesem Sinne mahnt uns Krisenzeit zu Seelenzeit und zu einer neuen Chance, unseren innersten Kern und unsere verborgenen Sehnsüchte und Potenziale neu zu entdecken und ins Leben zu bringen.

Widerstandsfähigkeit in Zeiten der Krise und für die Zeit danach

Das Konzept der Resilienz befasst sich mit dem Potenzial der Widerstandsfähigkeit und gibt uns wertvolle Impulse an die Hand, um unsere Seele und unser ganzes Menschsein in Zeiten der Krise zu festigen. In der Krise zeigt sich, ob wir über solide persönliche und soziale Ressourcen verfügen, mit denen wir die Herausforderungen meistern und für unsere weitere Entwicklung nutzen können. Die gute Botschaft ist, dass Resilienz nicht angeboren ist, sondern dass wir sie aktiv erlernen können. Die Entscheidung liegt also bei uns. Gern zitiere ich aus meine Coach- und Beratungskollegin Franziska Ambacher aus meinem LinkedIn-Netzwerk, die folgenden Impuls mit mir geteilt hat und zur Verdeutlichung ein wunderbares Bild verwendet:
„Deeskalation in der Krise heißt, unser Resilienzvermögen weiterzuentwickeln, denn das ist zum Glück wie mit einem Muskel, demnach entwickelbar.“

Trotz Homeoffice und Quarantäne in Kommunikation bleiben

Die Gewissheit und Erfahrung, dass wir in Zeiten der Krise nicht alleingelassen sind, ist wichtig. Ein Austausch, der von tiefer persönlicher Anteilnahme, Solidarität und positiver Haltung geprägt ist, gibt uns mehr Rückenwind und Orientierung als das Teilen von neuen Horrormeldungen. Menschen, die es gut mit uns meinen, helfen uns auch in schwierigen Zeiten, optimistisch zu bleiben und Situationen so zu akzeptieren, wie sie nun mal sind und das Beste daraus zu machen. Verantwortungsbewusst richten wir unseren Fokus auf innovative Krisenbewältigungsansätze und auf die Zeit nach Covid-19, statt uns in irgendeine Opferrolle einzuigeln. In Zeiten von Ausgangsbeschränkungen lassen sich positive Vibes übrigens auch sehr gut digital oder telefonisch transportieren. Seit ich im Homeoffice bin, konnte ich schon den einen oder anderen neuen Kontakt knüpfen, der mir sonst wohl eher durch die Lappen gegangen wäre. Auch bestehende Kontakte können in dieser Zeit wieder wunderbar neu belebt werden.

In Bewegung und im natürlichen Rhythmus bleiben

Gerade in Zeiten erhöhter und mitunter vielleicht unscheinbarer Anspannung brauchen wir frische Luft und den sportlichen Ausgleich, um Stresshormone abzubauen. Gleichzeitig ist es hilfreich, die Alltagsroutine und gewohnte Rituale so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Vor allem unsere Seele braucht den gesunden Rhythmus als Ruhepol. Ist dieser Pol verlorengegangen oder war er noch nie richtig im Gleichgewicht, bietet die Krise vielleicht die einmalige Chance, sich auf den Weg zu machen.

Die Abgeschiedenheit als persönliche und vielleicht auch spirituelle Trainingszeit erkennen

Gerade wenn man mehr Zeit mit sich allein verbringt, spürt man, wie wenig man die Auseinandersetzung mit sich selbst gelernt hat und dass es gar nicht so angenehm ist, all das in Empfang zu nehmen, was aus dem Inneren zum Vorschein kommt. Hier halte ich es mit dem Benediktinerpater Anselm Grün, der den weisen Rat gibt, die aufkommenden Gedanken wertschätzend und liebevoll willkommen zu heißen, sie aber nicht zu bewerten. Still werden, einfach mal nichts tun und schauen, was ist und hochkommt. Für die ungewohnte Situation, immer zu Hause sein zu müssen, rät Grün zur Neugierde. In seiner Zelle zu bleiben, wie die Mönche, könne einen näher zu sich selbst bringen: „Zum Menschen gehört auch, dass er sich selber kennenlernt.“ In dieser Situation könne man herausfinden: Wer bin ich eigentlich? Will ich so weiterleben? Wo liegen meine wahren Werte und Prioritäten? Für manche bietet der persönliche Glaube an eine übergeordnete Macht eine Kraftquelle – wie es Pater Anselm Grün erlebt: „Ich brauche keine Angst zu haben vor dem Chaos, das vielleicht in meiner Seele ist. Denn alles wird vom heilenden und liebenden Licht Gottes erleuchtet.“ Als Christ gibt mir dieses Vertrauen in der aktuellen Krise Halt. Denn Resilienz heißt auch zu akzeptieren, dass ich nicht alles kontrollieren kann und dass ich letztlich nicht alles im Griff habe. Krisenzeiten können uns neu in Verbindung bringen mit Krankheit, Tod und Verletzlichkeit. Mit Themen, die nun mal zu unserer Existenz gehören, auch wenn sie in unserer Leistungsgesellschaft wohl eher in den Hintergrund gerückt sind. Resilienz macht uns das Angebot, diese existentiellen Fragen ehrlich zu reflektieren und uns darin SELBST-BEWUSST neu zu positionieren – in Zeiten der Krise natürlich gern auch mit einer Brise Humor und Leichtigkeit oder eben mit Gottvertrauen und einem Gebet.
Neben meiner Berufung als Identitätsentfalter bin ich auch geistlicher Begleiter und Liedermacher. Daher schließe ich mit einem meiner Liedtexte als persönlichen Herzenswunsch an Sie:
„Ich wünsch Dir Seelenzeit, dass Dein Leben wieder blüht. In der Abgeschiedenheit Gott Dich stärkt und auch behüt.“
Fotos: Klimkin, Gerd Altmann (pixabay.com)

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