Charakterstarke Marken brauchen charakterstarke Führungskräfte

Im Gespräch mit Christian G. Hirsch, Executive Search Expert und Managing Partner bei AmropCivitas (www.amrop.de)
Die Kraft und Energie einer Marke wird maßgeblich von der Haltung der Führungskräfte bestimmt, die vorangehen. Die Besetzung von Führungspositionen hat maßgeblichen Einfluss auf die Markenwirkung. Im Gespräch mit Christian G. Hirsch habe ich diese Perspektive beleuchtet.

Was macht für Dich eine gute Führungskraft aus?

Eine gute Führungskraft ist authentisch, klar in der Kommunikation sowie offen für Kritik und Feedback. Sie verfügt über die Fähigkeit, die Vision in ein Unternehmen zu tragen und das Team dafür zu motivieren.

Du scoutest täglich Führungskräfte. Auf wie viele Führungskräfte treffen diese Merkmale eigentlich tatsächlich zu?

Definitiv zu wenig, aber es gibt gute Führungskräfte, die genau das verkörpern und das auch leben.

Wenn ich mich an mein BWL-Studium zurückerinnere, dann war das doch eher sehr funktional ausgerichtet: Karriere, Zertifikate, Abschlüsse, Rollen. Soft-Skills tauchten da relativ wenig auf. Hat sich hier für Dich in den letzten Jahren etwas gewandelt?

Die fachlichen Führungsfähigkeiten und das Know-how ist etwas, was ich als eine Grundvoraussetzung sehe. Dass ein kaufmännischer Geschäftsführer oder eine kaufmännische Führungskraft weiß, was im kaufmännischen Bereich, in den Bereichen Controlling, Finanz- und Rechnungswesen passiert, ist selbstverständlich. Dass eine Führungskraft, die in den Bereichen Marketing und Vertrieb tätig ist, weiß, was die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich sind, wird vorausgesetzt. Dass eine Führungskraft, die im technischen Bereich unterwegs ist, weiß, was dort passiert, sollte ebenfalls selbstverständlich sein. Alles andere sind Dinge, die eine reine Führungskraft von einer „echten“ unterscheiden.

Stellvertretend für ein Unternehmen scannst Du den Markt nach solchen ganzheitlichen Führungskräften. Woran erkennst Du, ob Du eine „echte“ Führungskraft vor Dir hast?

Um diese eher menschliche Ebene zu erschließen, braucht es manchmal noch ergänzende Tests und zusätzliche Gespräche. Man kann sie manchmal erahnen, kommt aber letztlich meist erst durch längere Gespräche ran, indem man über konkrete berufliche Erfahrungen der Bewerberin oder des Bewerbers spricht und dann auch versteht, wie sie oder er gewisse Erfolge erreicht hat oder wie mit Misserfolgen umgegangen wurde.

Welche Rolle spielen in der Praxis Werte bei der Besetzung einer Führungsposition?

Das ist von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Es gibt aber immer mehr Unternehmen, die darauf Wert legen und die auch möchten, dass man Werte verkörpert. In den Präsentationen werden dann konkrete Fragen zur Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und zu Situationen gestellt und man versucht zu verstehen, wie der potenzielle Kandidat mit der einen oder anderen Situation umgehen würde.
Für mich ist es immer eine Steilvorlage, wenn sich ein Unternehmen seiner Werte bewusst ist und somit den eigenen Anspruch zielgerichteter formulieren kann. Auf dieser Grundlage lassen sich die Führungskräfte zielgerichteter finden – Kandidaten, die nicht nur die Fachskills mitbringen, sondern letztlich auch die menschliche Haltung.
Vorbild sind für mich die Familienunternehmen, die ihren heranwachsenden Familienmitgliedern mit 14 oder 15 Jahren eine Art „Familienbibel“ überreichen, in der die Werte und Grundsätze der Unternehmensführung aus Familiensicht dargelegt sind. Man erwartet, dass sich die nächste Führungsgeneration schon sehr früh damit auseinandersetzt und versteht, was in der Familie als wichtig betrachtet wird, bevor man irgendwann selbst in die Unternehmensführung eintritt.

Im Sinne charakterstarker Markenführung ist es essentiell, dass die Führungskraft mit ihrem fachlichen und persönlichen Profil zur Identität des Unternehmens passt. Wie gelingt hier der perfekte Match?

Gute Unternehmen führen ihre Marke mit einem Purpose, mit einer Zielorientierung. Marken wie Fritz-Kola oder Astra machen das im Getränkesegment ganz stark, auch in einer politischen Dimension. Auch Automobilfirmen versuchen etwa, ihre Marke mit einem gewissen Slogan aufzuladen, wie etwa „Freude am Fahren“ bei BMW. Es gibt also einerseits die Ausrichtung eines Unternehmens auf eine Marke und auf eine Markenversprechen hin, welches man realisieren möchte. Andererseits muss die Führungskraft in Abhängigkeit von der Funktion, die sie innehat, dem Unternehmen und dessen Wertekanon entsprechen.
Die Marke ist nicht plötzlich da, sondern über viele Jahre hinweg entwickelt worden. Mit diesem Heritage einer Marke muss man als Führungskraft arbeiten können. Man muss sie auch verinnerlichen. Wenn ich als Führungskraft versuchen würde, eine Marke komplett umzubauen oder ihr ein anderes Selbstverständnis zu geben, dann versündige ich mich an ihr und damit auch indirekt am Unternehmen. Es muss vielmehr gelingen, dass sich die Führungskraft maximal in die Marke hineinversetzt und sie im Sinne der bereits vorhandenen Markenheritage weiterführt. Der Stellenbesetzungsprozess sollte Aufschluss darüber geben, wie die Marke und ihr Auftrag verstanden wird und wie sich die zukünftige Führungskraft in diesem Gesamtkonstrukt mit einbringen und die Marke weiterentwickeln möchte.

Werfen wir noch einen Blick in die Zukunft. Wird es zunehmend schwieriger, Führungskräfte zu finden, die diese allumfassenden ganzheitlichen Skills haben?

Es ist generell schwierig, gute Führungskräfte zu finden, weil der Markt für Führungskräfte eng ist. Umgekehrt erwarten gute Führungskräfte heute, dass sie auf ein Unternehmen treffen, dass Werte verkörpert und auch einfordert. Unternehmen ohne klar definierte Werte haben es tatsächlich schwer, gute Führungskräfte zu finden, weil dann eine gewisse Beliebigkeit entsteht, die sich dann oftmals auch in der Zusammenarbeit fortsetzt.

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