Nachhaltigkeit zwischen Elfenbeinturm und Greenwashing

Wie Ihre Nachhaltigkeitskommunikation stimmig wird

In meinem ersten Blogbeitrag zum Thema Nachhaltigkeit habe ich darüber geschrieben, was wir unter Nachhaltigkeit verstehen und wie wir sie ganz konkret als Zukunftsperspektive nutzen und in unser persönliches Identitätsprofil integrieren können. Nun möchte ich zum Nachdenken anregen, wie Ihnen ein stimmiges Maß an nachhaltigem Anspruch und Handeln gelingen kann. Ein Maß, welches Ihnen einen Schritt nach dem anderen ermöglicht anstatt zu stolpern. Ein Maß, welches Ihre Zielgruppen in ihren Möglichkeiten abholt statt sie zu überfordern.
Nur etwa 40% der Konsumenten fühlen sich laut einer Studie der M-Group aus dem Jahr 2019 gut über Nachhaltigkeit informiert, am wenigsten die 16 bis 29-Jährigen. 50% der Befragten empfinden die Preise für nachhaltige Produkte als zu hoch. 46% bemängeln deren Verfügbarkeit, 43% das Kennzeichnungs-Wirrwarr. Das Nachhaltigkeitsbedürfnis boomt. Nachhaltige Marken haben einen Auftrag. Es gilt, das Informationsdefizit durch eine ausgewogene Nachhaltigkeitskommunikation zu reduzieren.
Was einer realistisch nachhaltigen Haltung heute oftmals im Wege steht, sind die berühmten Extrempositionen, die wir Menschen nur allzu gern einnehmen. Klar, sind es die Extreme, die im Trubel der Informationen auf sich aufmerksam machen. Doch nicht immer – ja vielleicht sogar eher selten – stehen Extrempositionen in einer immer transparenteren Welt auch für Glaubwürdigkeit und einen konstruktiven Dialog des Miteinanders. Und auf das Miteinander sollten wir beim Thema Nachhaltigkeit unmöglich verzichten, weil es letztlich um unsere gemeinsame Zukunft geht.

Eine erste Fraktion posaunt ihre Nachhaltigkeitsbotschaften vom Elfenbeinturm ins Land hinaus und ärgert sich darüber, dass zu Wenige mitmachen.

Auf Basis klarer und dringlicher Fakten ist diese Vorgehensweise vermeintlich gut gemeint, aber aus meiner Sicht nicht weise und auch nicht mehr zeitgemäß. Menschen und Konsumenten wollen nicht etwas aufgezwungen bekommen, sie möchten gewonnen werden. Hierzu sollten die Botschafter jedoch ihren Elfenbeinturm verlassen und sich auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten ihrer Anspruchsgruppen einlassen. Gerade wenn man sich im Innen sehr intensiv mit einem komplexen Thema wie Nachhaltigkeit auseinandersetzt, geht oft die Außenperspektive und der Bezugspunkt zum eigentlichen Gegenüber verloren. Die Methode der Markenevaluation in Form einer Befragung Ihrer Zielgruppen setzt hier Ihr Selbst- und Fremdbild in Beziehung und bringt auf den Punkt, wo gegebenenfalls Differenzen existieren und was verändert werden muss, um auf eine Wellenlänge zu gelangen.

Die Art und Weise der Nachhaltigkeitskommunikation sollte gut durchdacht sein. Kontinuität und Emotionalität sind hier die beiden Kernanforderungen an eine Marke, wenn Sie Menschen wirklich gewinnen möchten.

Erst durch ständige Wiederholungen können Verknüpfungen im Gehirn angelegt und gelernt werden. Ist die Kontinuität nicht gegeben, verändern Sie beispielsweise jedes Jahr Ihre Themen oder Ihre Bildwelten, wird der Lerneffekt bei Ihren Zielgruppen gemindert und die Kommunikationseffizienz reduziert.
Noch elementarer – damit Botschaften überhaupt gehört, angenommen und im Gedächtnis hinterlegt werden – sind Emotionen und Bilder. Fakt ist, dass letztlich jede Botschaft ihre Wirkung hinterlässt. Entscheidend ist, dass Sie sich als Marke darüber bewusst sind, welche Spuren Sie bei den Menschen und Ihren Konsumenten hinterlassen. Und dass die Art Ihrer Kommunikation immer auf Ihre Marke abfärbt, weil sie diese letztlich repräsentiert. Ist Ihre Nachhaltigkeitskommunikation von langweiligen, einsilbig rationalen Botschaft geprägt, werden Sie keine Aktivierung erreichen. Ihre Marke erhält den Langweilerstatus. Damit Menschen in der nächsten Runde wieder auf Sie aufmerksam werden, wird Sie dann den vielfachen Aufwand kosten.
Sind Ihre Botschaften unnahbar, schier unerreichbar oder gar zu negativ als Horrorszenarien verpackt, entstehen keine positiven Bildwelten. Destruktive Bilder wie „Das schaffen wir eh nicht“ werden bei Ihren Zielgruppen genährt. Das Gehirn erhält keinen Anreiz, Dopamin freizusetzen, um konstruktiv in Aktion zu treten. Wenn Sie dauerhaft utopisch oder negativ kommunizieren, werden Sie bei Ihren Zielgruppen und letztlich auch bei sich selbst keine wirkliche Begeisterung und damit auch keine Veränderung bewirken. Nachhaltigkeitskommunikation braucht also definitiv einen anderen Fokus.

Die Hirnforschung belegt, dass Bilder und Emotionen die entscheidenden Aspekte sind, auf deren Basis kluge Entscheidungen getroffen werden. Und nachdem kluge Entscheidungen auch die Voraussetzung für Umdenken und Veränderung in Bezug auf nachhaltiges Verhalten sind, sollten Sie diese Erkenntnis auch für Ihre Nachhaltigkeitskommunikation nutzen.

Eine wunderbare Methode, die immer wieder für neue, ganze positive Inspiration sorgt, ist das Storytelling. Statt nur graue Farben zu verwenden entwickeln wir hier im Sinne einer Heldenreise etwa einen zu Ihren passenden Charakter, der vorhandene Herausforderungen mutig anpackt. Der beim Empfänger bunte Assoziationen weckt, diesen in seiner Lebenswelt abholt und anspornt, mit ins Abenteuer einzusteigen. Gute Geschichten erzeugen Emotionen und werden, wenn Sie erlebbar sind, ganz automatisch weitererzählt. Anstrengende und mitunter ernste Themen, aber auch Widersacher oder Stolpersteine – im Bereich der Nachhaltigkeit bekannterweise nicht unüblich – werden dabei spielerisch verpackt und stets mit einer erstrebenswerten Zielperspektive versehen.
Im Rahmen meiner Identitätsarbeit erzähle ich die Geschichte vom Transformationsprozess der Raupe zum Schmetterling. Die wundersame Metamorphose von den Unmöglichkeiten zu den Möglichkeiten. Hauptfigur ist der Schmetterling, der mit seinen Erfahrungen und Eigenschaften für die eigenen Veränderungsprozesse Mut macht. Je nach Kommunikationsthema kann ich mal diesen, mal jenen Aspekt seiner Geschichte nutzen, um bei meinen Klienten und Kunden hoffentlich ganz lebendige Bilder und Emotionen entstehen zu lassen. Gerade wenn es um eher unbequeme Aspekte der Identitätsarbeit geht, hilft die Geschichte mit ihrer ausdrucksstarken Bildsprache, bei aller Herausforderung des eigenen Weges bereits die Perspektive von Freiheit und Lebensfreude zu eröffnen. Den Weg schon heute frei zu machen für das künftige Ziel.
Hier noch ein Beispiel für gelungenes Storytelling: Dem innovativen Porridge-Hersteller „3Bears“ gelingt es aus meiner Sicht ganz hervorragend, den eigenen Nachhaltigkeitsanspruch nicht nur lebendig zu kommunizieren, sondern geschickt mit der Identität des Unternehmens und dem Personal Branding des sympathischen deutsch-englischen Gründerpaars zu verknüpfen. Ausgangspunkt ist ein britisches Märchen, welches ganzheitlich in Produkte, Erscheinungsbild und Kommunikation einfließt. Ein Blick auf die Website von „3Bears“ ist zumindest einen kleinen Ausflug wert.

Die Frucht guten Storytellings ist die sogenannte „Brand Salience“ oder Markenverfügbarkeit.

„Brand Salience“ gilt als Indikator für Ihren kurzfristigen Markterfolg und spiegelt nicht nur das physische, sondern das mentale Markenbewusstsein bei Ihren Zielgruppen in Entscheidungssituationen. Ein Konsument vor dem Supermarktregal weiß genau, zu welcher Marke er greift und muss nicht erst zig mal nach links oder rechts abwägen. Ganz selbstverständlich, wie wenn all die Alternativen nicht existieren würden, greift er zu Ihrer Marke. Weil sie mit ihren Bildern, ihrer Geschichte, ihrer Haltung und kontinuierlichem Branding so stark eins geworden ist mit den eigenen Ansprüchen. Und weil Sie aufgrund dessen im Unterbewusstsein gespeichert ist, so dass in Entscheidungssituationen keinerlei Zweifel aufkommen. Marken, die so mächtig in den Köpfen ihrer Konsumenten verortet sind, sorgen für Klarheit und entlasten letztlich anstrengende Denk- und Abwägungsprozesse. Nachhaltigkeit ist übrigens als eines der momentan zielgruppenrelevantesten Themen sehr gut geeignet, um Ihre „Brand Salience“ zu erhöhen.

Kommen wir zur zweiten Extremfraktion. Sie gibt sich oftmals wie aus dem Nichts einen sauberen Anstrich von Nachhaltigkeit, sieht sich dann aber relativ schnell dem Vorwurf des Greenwashings ausgesetzt.

Greenwashing ist nichts anderes, als einen für Ihre Zielgruppe maßgeblich relevanten Punkt – bei unserem Thema die Nachhaltigkeit – aufzublasen, jedoch dabei zu ignorieren, dass Nachhaltigkeit eine ganzheitliche Sichtweise und Konsequenz fordert, um glaubwürdig zu sein. Beispiele gibt es mittlerweile leider so penetriert wie Plastik im Meer.
Ausgerechnet Coca-Cola widmete sich in einer Nachhaltigkeitskampage dem Thema Recycling – Colaflaschen aus 100% recycelten Plastik. Isoliert betrachtet gut. Wenn nur an anderer Stelle die Produktion eines halben Liters des Kultgetränks nicht 35 Liter Wasser verbrauchen würde. Eine aufrichtige Nachhaltigkeitshaltung kann nicht das Ergebnis einer Zielgruppenanalyse sein, bei der man sich die Themen herauspickt, die den größten Imagegewinn versprechen.
Nachhaltigkeit stellt im Kern erst einmal die Frage nach dem aufrichtigen Anspruch Ihrer Unternehmung, nicht die Frage danach, was bei anderen gut ankommt. Nachhaltigkeit sollte niemals oberflächlich als noch so glatt geschliffene Marketingkampagne daherkommen, sondern der Marken-DNA Ihres Unternehmens entsprechen. Und sie sollte sich im alltäglichen Handeln beweisen. Im Zeitalter einer digitalen und transparenten Welt lässt sich die Wahrheit sowieso nicht lange verbergen. Hinzu kommt, dass insbesondere die Generation Z – also die Generation seit der Jahrtausendwende – vermehrt Sinn und Verantwortung von ihren Marken einfordert.
Auch, wenn ich von Ökoverbänden wie Bioland oder Naturland zertifizierte nachhaltige Biolebensmittel für nahezu denselben Preis wie im konventionellen Bereich in den Supermärkten oder Drogeriemärkten in den Regalen vorfinde, macht mich das zumindest nachdenklich. Wird hiermit das Thema Glaubwürdigkeit gestärkt? Oder nicht eher der Trend, all die Geschichten von Nachhaltigkeit doch eher erst mal zu hinterfragen?

Nur 23% der Befragten gaben im Rahmen der Group-M-Studie 2019 an, Werbung im Kontext von Nachhaltigkeit als glaubwürdig wahrzunehmen.

Hier besteht ganz offensichtlich ein großer Aufholbedarf für die Nachhaltigkeitskommunikation. Für die, die es wirklich ernst meinen, unter Bedingungen, die alles andere als bequem sind. Denn je mehr Relevanz das Thema Nachhaltigkeit gewinnt, umso mehr Trittbrettfahrer und schwarze Schafe befinden sich mit auf der Reise. Zumindest nehmen die Fälle von Greenwashing derzeit eher zu als ab.
Wie kann es Ihrer Marke nun gelingen, sich in diesen Turbulenzen zu behaupten? Ich möchte dies am Beispiel der Lebensmittelbranche beleuchten. Zum einen machen hier die Ergebnisse des BÖLW-Branchenreports 2020 Mut. Sowohl die bewirtschafteten Bioflächen als auch die Umsätze mit Bio-Lebensmitteln entwickeln sich kontinuierlich nach oben. Die gegenwärtige Coronakrise und die gestiegene Sensibilität für regionale und nachhaltige Produkte führte sogar bisher zu einer Beschleunigung. Vor allem erzeugernahe Anbieter wie Hofläden oder Naturkostfachgeschäfte werden von den Konsumenten vermehrt aufgesucht. Daraus lässt sich schließen, dass ganz allgemein das Bedürfnis nach nachhaltigem Verhalten weiter zunehmen wird. Aber dass auch nur die Unternehmen ernst genommen werden, die glaubwürdig sind.
Zum Zweiten befinden wir uns seit Corona in einem generellen Zeitenwandel. Bedingungen und Erwartungen werden nach der Krise andere sein als vor der Krise. Jeder ist gut beraten, sich schon jetzt mit möglichen Zukunftsoptionen auseinanderzusetzen. Das Cluster Ernährung am Kompetenzzentrum für Ernährung in Kulmbach hat 2020 als Auswirkungen der Coronakrise auf die Land- und Ernährungswirtschaft sieben Post-Corona-Szenarien aufgestellt. Das fünfte Szenario prognostiziert einen langfristig gesteuerten Wandel, bei dem die Werte Sicherheit und Regionalität deutlich an Gewicht gewinnen werden. Lebensmittelhersteller, die sich diesen beiden Aspekten stellen, ihre Geschichte genau in diesem Bereich erzählen, werden an Glaubwürdigkeit und Relevanz gewinnen. Damit dürfte diese Krise vor allem für die nachhaltige Öko-Lebensmittelbranche neben allen Herausforderungen auch großes Chancenpotenzial bereithalten. Die Werte Sicherheit und Regionalität bieten das Potenzial, sich letztlich auch von all den Greenwashern zu differenzieren.

Doppelpunkt: Eine nachhaltige Haltung gelingt nur in Beziehung zu Ihren Zielgruppen.

Nachhaltige Haltung gelingt, wenn Sie fernab vom Elfenbeinturm Ihre Konsumenten in ihrer Lebenswelt und mit ihren Bedürfnissen abholen. Und wenn Sie fernab von all den Greenwashern Nachhaltigkeit ganzheitlich in Ihrer DNA festigen. Das zentrale Instrument dafür ist Ihre glaubwürdige Marke. Diese profitiert von einer unverwechselbaren Identität, welche Nachhaltigkeit grundlegend und umfassend in Ihrer Vision, in Ihren Werten und in Ihren Kompetenzen verankert weiß.
Gern unterstütze ich Sie dabei, das Thema Nachhaltigkeit glaubwürdig und ansprechend in Ihrer Identität und Marke zu gründen und auf dieser Basis dann Ihre Nachhaltigkeitsgeschichte zu erzählen. Kommen Sie auf mich zu.
Fotos: any lane (pexels.com) / lisa runnels, Beyond Timelines, GLady, RitaE, analogicus, Lubos Houska (pixabay.com)

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